Platon
Symposion
Als des Reichtums und der Armut Sohne aber befindet sich Eros in solcherlei Umständen. Zuerst ist er immer arm, und bei weitem nicht fein und schön, wie die Meisten glauben, vielmehr rauh, unansehnlich, unbeschuht, ohne Behausung, auf dem Boden immer umherliegend und unbedeckt schläft er vor den Türen und auf den Straßen im Freien, und ist der Natur seiner Mutter gemäß immer der Dürftigkeit Genosse. Und nach seinem Vater wiederum stellt er dem Guten und Schönen nach, ist tapfer, keck und rüstig, ein gewaltiger Jäger, allezeit Ränke schmiedend, nach Einsicht strebend, sinnreich, sein ganzes Leben lang philosophierend, ein arger Zauberer, Giftmischer und Sophist, und weder wie ein Unsterblicher geartet, noch wie ein Sterblicher, bald an demselben Tage blühend und gedeihend wenn es ihm gut geht, bald auch hinsterbend, doch auch wieder auflebend nach seines Vaters Natur. Was er sich aber schafft geht ihm immer wieder fort, so daß Eros nie weder arm ist noch reich, und auch zwischen Weisheit und Unverstand immer in der Mitte steht. - Wer also, sprach ich, Diotima, sind denn die philosophierenden, wenn es weder die Weisen sind noch die Unverständigen? - Das muß ja schon, sagte sie, jedem Kinde deutlich sein, daß es die zwischen beiden sind, zu denen auch Eros gehören wird.